Voller Euphorie stürme ich aus der Fähre, fahre aber zuerst in die falsche Richtung. Statt nach Westen fahre ich nach Norden. Wegen des Linksverkehrs und der Vehrkehrsschilder, die dafür ausgelegt sind, habe ich starke Orientierungsprobleme.
Beim Fahren Richtung Newcastle wird mir der krassere Gegensatz zwischen arm und reich deutlich. An der Art der Häuser und der Menge an Schmutz kann ich gut bestimmen, wo ich gerade bin. Das Zentrum von Newcastle steht in starkem Gegensatz zu den Vororten. Der Verkehr nimmt stark zu und plötzlich ist die Straße für Radfahrer gesperrt. Über ein System aus waghalsigen Fußgängerbrücken komme ich in eine Gegend, wo der Verkehr wesentlich ruhiger ist.
Ich suche jetzt eine Bank, wo ich Geld tauschen kann. Gleichzeitig muß es auch eine Möglichkeit geben, um das Fahrrad anzuschließen. Das erste Gebäude, daß ich betrete, ist keine Bank und so kann ich kein Geld abheben. In der nächsten Bank kann man mir auf meinen EC-Cheque kein Geld auszahlen und erst beim dritten Versuch bekomme ich meine 100 Pfund. Überglücklich stürze ich mich wieder in das Verkehrsgetümmel und habe die Stadt nach einer knappen Stunde endlich verlassen. Ich hasse diese Großstädte.
Nach dem schnellen Start habe ich Probleme mit beiden Knien. Der drückende Schmerz zwingt mich mein Tempo wesentlich zu drosseln. Langsam fahre ich die Berge hoch und schieße dann wieder bergab. Der geringe Verkehr ist sehr erholsam. Vorbei an der Hadrian's Wall dringe ich immer weiter nach Nordwesten vor.
Die Hadrian's Wall wurde errichtet, um den Norden des Römischen Reiches vor den Einfällen der "Barbaren" zu schützen. An wenigen Stellen sind Reste der originalen Mauer zu erkennen. Allerdings folgt die Straße über weite Strecken ihrem Verlauf.
Nach endlos erscheinenden Kilometern erreiche ich Bellingham, eine Kleinstadt unweit der schottischen Grenze. Die Schmerzen in den Knien sind wieder vorbei und ich beschließe auf dem Zeltplatz dort zu übernachten.
Als ich mein Zelt aufgeschlagen habe und gerade bei der Fahrradpflege bin, werde ich von vier Holländern zum Abendbrot eingeladen. Sie haben so viel gekocht, daß sie mir eine riesige Portion auftun. Wir sitzen noch bis spät in die Nacht, sie erzählen mir von ihren Erlebnissen in den drei Wochen und wir diskutieren über die Probleme der Einheit Deutschlands.